Erstaunt registrierte ich kürzlich beim Lesen eines Artikels bei Leafly, der sich dem durchaus interessanten Thema Living Soil widmet, dass im US-Recreational-Markt auch nach Demeter-Standard angebaute Blüten angeboten werden. Eine weitere kurze Suche ergab, dass es in den USA bereits rund ein Dutzend “biologisch-dynamisch” nach Demeter produzierende Farmen gibt.

Demeter und der sogenannte Biodynamische Landbau ist eine Paraagrikulturrtechnik
Und ist ähnlich seriös, wie Parapsychologie es ist. Biodynamischer Landbau ist eine nach den Auslassungen Rudolf Steiners von gläubigen Anhängern kreierte Vorgangsweise, die häufig und gern mit Bio verwechselt wird. An der das Verbuddeln von Kackhörnchen noch harmlos scheint. Was soll Demeter denn auf einmal mit Cannabis zu tun haben? Und dann auch noch in den USA, nicht gerade dem Homeland der Anthroposophischen Bewegung? Mein Staunen wuchs. Darüber fiel mir ein Gespräch mit einem Freund ein. Der erst anhand einer Dokumentation erfuhr, dass Demeter nicht bio ist, sondern biodynamisch. Und, dass dahinter jede Menge abgründiger Esoterik steckt. Was Demeter nicht einmal verleugnet.
Er erzählte mir, dass dies für ihn einfach immer gleichbedeutend mit bio gewesen sei. Dass auf den Wochenmärkten, auf welchen er einkauft, Demeter immer vertreten sei. Und, dass er darauf oft zurückgegriffen habe, da er sich dabei bewusst gewesen sei, dass es wirklich bio und regionalen Ursprungs sei. Dass biodynamischer Landbau aber etwas mit Rudolf Steiner und Homöopathie zu tun hat, war ihm nicht bewusst. Auch nicht, dass es praktisch zwingend zur Verwendung von nach homöopathischem Prinzip hergestellten “dynamisierenden” Lösungen für den Acker kommt.
Dass Demeter gern als ein etwas besseres Biosiegel betrachtet wird, hat bestimmt auch etwas mit den nicht ganz so strengen existierenden Bio-Zertifikaten zu tun. Die leider auch häufig intransparent sind. Da kann es schon mal passieren, dass eine Bio-Kartoffel aus Ägypten kommt. Nicht so bei Demeter, die für regionale Erzeugung bekannt sind. “Besser als Bio”, sozusagen. Auch auf den Autoren dieses Textes wirkte es lange Zeit so, als handelte es sich einfach um eher lustfeindliche, christliche Ökos, denn auf Demeterhöfen werden Drogenkonsum, Rauchen, Trinken für gewöhnlich geächtet . Dass hinter dem bei Demeter aufzufindenden Weltbild so einiges mehr steckt, das lernt man nicht in der Schule. Aber dankenswerterweise zum Beispiel in Sendungen, wie der von Mai Thi Nguyen, den Podcasts Hoaxilla, Waldorfsalat oder Alle Zeit der Welt – zum Beispiel.

Der Begründer Rudolf Steiner war vor Gründung der Anthroposphischen Bewegung in der Theosophischen Bewegung der hochstapelnden Helena Petrona Blavatsky, ältere Computerspieler kennen Blavatsky eventuell noch als monströs-dämonischen Nazi-Endgegner aus dem Spiel Return to Castle Wolfenstein. Soviel zur Popkultur. Blavatsky und ihre Theosophen bieten ein wahnwitziges Sammelsurium an esoterischem Nonsens und Geisterglauben und rassistischen und antisemitischen Lehren, die Blavatsky angeblich wahlweise aus dem Jenseits oder einer anderen Dimension vermittelt bekam. Was in plump manipulierten Seancen öffentlichkeitswirksam vorgeführt wurde. Vieles davon floss in Rudolf Steiners Anthroposopie ein. Die er in von ihm so genannten Schauungen angeblich eigegeben bekam – Channeling auf altmodische Art.
Glaube an kosmische Energien, Feinstofflichkeiten – und “ambivalente” Haltung im Nationalsozialismus
Leider wird nicht so häufig in der Schule gelernt, dass zur Geschichte älterer anthroposophischer Firmen oft auch eine ambivalente Haltung zum Nationalsozialismus gehörte. Ein anthroposophisches Unternehmen wie Weleda zum Beispiel, wurde aus dem Kräutergarten des KZ Dachau beliefert. Der von einem Anthroposophen und späteren SS-Offizier geleitet wurde. Protegiert durch Heinrich Himmler wurde biodynamischer Landbau erprobt und es kam mit beispielsweise einer Frostschutzcreme zu absurden Versuchen und Untersuchungen im Stile eines Oskar Mengeles. KZ-Insassen mussten Schlüsselblume und Co. nicht nur biodynamisch anbauen. An ihnen wurden die homöopathische Präparate auch getestet. Auf grausame Art, durch vorsätzliche Erfrierungen, bei denen sich die homöopathischen Präparate natürlich als nutzlos erwiesen.
Das Image und die Verbreitung von Demeter in Europa und den USA
Demeter und die anthroposophische Bewegung kommen aus Europa und sind ein Ausläufer der Lebensreformbewegung. Also ist es kein Wunder, dass das esoterische anthroposophische Weltbild in Deutschland, der Schweiz und Österreich weit verbreitet ist. Überraschend ist aber die Verbreitung von Demeter beziehungsweise solch zertifizierten Produkten in den USA. Schließlich handelt es sich hierbei um eine Weltanschauung, nicht um eine auf Wissenschaftlichkeit beruhende agrikulturelle Technik.
Der primäre Grund, warum sich Demeter als Siegel im Cannabisbereich in den USA ausbreitet, ist sehr banal. Er liegt darin, dass US-Cannabisbauern sowie andere landwirtschaftliche Produzenten auf der Welt auch bezüglich der Vermarktung Zertifikate nutzen wollen, die mit biologischem Landbau assoziiert werden. Und auf US-Ebene wollen sich national bekannte Siegel Cannabis offenbar nicht öffnen. Das Siegel Demeter International dagegen ist offen für die Cannabisproduzenten. Demeter bringt man in Deutschland nicht unbedingt mit Rauschkultur in Verbindung, hat sich aber auf internationaler und US-amerikanischer Ebene auch der Zertifizierung von Cannabisfarmen schon vor längerer Zeit geöffnet. Und profitiert ganz offenbar auch weltweit von dem mit ökologischer beziehungsweise biologischer Landwirtschaft verbundenen Image. Biodynamisch, das ist für viele Käufer offenbar gleichbedeutend mit Öko oder Bio. Die Unterschiede zwischen biologischer und biodynamischer Produktion, die weltanschaulicher und ideologischer Art sind und die wie beschrieben in unpraktikablen und nicht zielführenden Handlungen münden, kennen viele nicht.
Auch in der Schweiz wird Cannabis nach Demeter-Standards hergestellt. Für den Recreational-Bereich. Von einer Firma, die auch medizinisches Cannabis nach GACP-Standard anbaut. Was sich also in den USA auch aufgrund fehlender offizieller BIO-Siegel ausbreitet, findet in Europa ebenfalls Verbreitung. In der Schweiz kann sich Demeter ebenfalls unter der Maßgabe verkaufen, besser, beziehungsweise strenger als das Bio Suisse-Siegel zu sein. Was sich auf dem Wochenmarkt beobachten lässt, ist auch auf Cannabis als Genussmittel übertragbar. Und für die Kunden, die das eventuell bessere bio haben wollen,schadet es vielleicht nicht, auch dies im Programm zu haben? Ob Cannabis mit dem Siegel Bio Suisse zertifiziert werden kann, ist eine weitere Frage. Allerdings sollte es im Interesse von Hanfbauern und überhaupt der Industrie liegen, fehlende Siegel notfalls selbst zu schaffen. Und zum Berispiel verbändeseitig Kriterien hierfür zu definieren. Nicht auf einen unwissenschaftlichen Zug aufzuspringen. Aber es mag aus der Sicht von manch einem wohl nicht schaden, verschiedene Produkte im Portfolio zu haben. Auch, wenn sich die verschiedenen Produktionsarten widersprechen.
Faktizität vs. Esoterik

Es passt leider zu der Art und Weise, wie Cannabisprodukte vielerorts vermarktet werden.Wenn im Rahmen von Wellness und Wellbeing mittels Buzzwords wie Naturmedizin, Nachhaltigkeit, Ganzheitlichkeit, Sanftheit und so weiter operiert wird, dann ist es meist sowieso nicht weit bis zur Unseriösität.
Zwar ist es dem wachsenden Cannabis herzlich egal, ob es zu der für Anthroposophen wichtigen Mondphase angepflanzt oder umgesetzt wird. Oder ob mit Mist, Gesteinsmehl und sonstigem Allerlei gefüllte Kuhhörner, Tierschädel oder Hirschblasen auf dem Acker vergraben werden. Und ob es mit einem nach deren Ausbuddeln mit einem daraus gewonnenen, bis zum Unterschreiten einer Nachweisgrenze verdünnten Präparat gegossen wird. Es bleibt in Bezug auf die Qualität von biodynamischen Produkten festzuhalten, dass sie nicht gut sind, weil sie biodynamisch angebaut wurden. Sondern eher trotz dessen. Was für Anbieter aus Gründen des Wettbewerbs und der Marktlage Sinn ergeben mag, hat trotzdem nicht immer etwas mit wissenschaftlicher Evidenz, außer im Geldbeutel, zu tun.
Seltsam ist es, wenn Praktiken wie zum Beispiel das beschriebene Arbeiten mit Tierschädeln zwar bekannt sind und beispielsweise in Magazinen dargestellt werden. Aber dies fast gänzlich ohne eine damit verbundene Kritik oder Hinterfragung. So werden falsche Grundannahmen und Weltbilder verbreitet. Es wird sich auch in den USA von vielen schon allein aus Marketinggründen gern auf Umweltfreundlichkeit und Gedanken an Nachhaltigkeit bezogen. Vor diesem Hintergrund kann sich die Arbeitsweise nach Rudolf Steiner und damit kontrafaktische und wissenschaftsfeindliche Handlungen und Betrachtungsweisen, wie auch in Europa, bei fehlendem Problembewusstsein verbreiten.
Meine Haltung als Patient und Konsument

Über die schädlichen Auswirkungen esoterischer Einflüsse habe ich bereits hier geschrieben. Als Patient und Konsument wünsche ich mir natürlich auch hier, dass Produzenten von Lebensmitteln, Medikamenten und Konsumgütern nach anerkannten wissenschaftlichen Prinzipien arbeiten. Und nicht nach Geisterglauben. Natürlich ist eine weitestgehend nachhaltige, umwelt- und klimaverträgliche Produktionsweise zu begrüßen. Aber kein Rückfall in Unwissenschaftlichkeit und Glauben. Wie es das Arbeiten nach den unevidenten religiösen Vorstellungen und Schauungen eines sektierenden Rudolf Steiners darstellt, der bereits zu Lebzeiten eine Gemeinde Gläubiger um sich scharrte. Und der von Botanik nichts verstand, aber dafür etwas vom Predigen und Sektieren. Wir sollten das Wissen vorziehen.
Wichtig ist auch: Produkte biodynamischen Landbaus sind nicht für jeden geeignet. Zum Beispiel für Menschen nicht, die sich mit vegan angebauten Produkten ernähren wollen. Es sei an die tierischen Produkte erinnert, die Verwendung finden müssen. Produktion nach Demeter-Standard kann nicht vegan sein. Tierschädel, organischer Dung, Hirschblasen etc., können oder müssen hier zum Einsatz kommen. Wer dies nicht möchte, der muss zumindest Ansätze zum Herstellen von Gießlösungen nach Demeterkriterien hergestellten Ansatz hierfür nutzen. Eine dieser Varianten muss es sein. Denn sonst ist es kein Demeter. Und folglich gibt es keine veganen Demeter-Produkte. Allerdings findet sich diese Information wohl weder hier auf einem Kürbis aufgedruckt, noch auf Mylarzippern in den USA.