Das SCM hat zusätzlich zu dem mit anderen Cannabis-Fachverbänden abgegebenen Verbändepapier Raus aus der Cannabis-Unterversorgung! eine eigene Stellungnahme an den G-BA übermittelt.
I. Grundhaltung des SCM
Das Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin ist Deutschlands ältester und größter Verband von Cannabispatientinnen und Cannabispatienten. Seit seiner Gründung im Jahr 2006, setzen sich seine Mitglieder für den Einsatz von Cannabis in der Medizin ein und kämpfen für einen niedrigschwelligen Zugang zu einer Behandlung mit Cannabismedizin und für einen gesellschaftlichen Umgang mit Cannabis, der nicht durch Stigmatisierung und prohibitive und repressive Ansätze gekennzeichnet ist. Das SCM reicht in diesem Verfahren eine eigene Stellungnahme ein, um dem G-BA die Perspektive deutscher Cannabispatienten aufzuzeigen. Viele Mitglieder waren aufgrund fehlender Behandlungsmöglichkeiten lange Zeit auf eine Behelfstherapie
und Selbstversorgung angewiesen, und sind dies aufgrund bestehender Problematiken, wie zum Beispiel zu wenig verschreibende Ärzte, dem bestehenden Genehmigungsvorbehalt und fehlender Kostenübernahmebestätigung, in vielen Fällen noch immer. Zu viele Patienten, die sich bis zur Entstehung des CAM-Gesetzes jahrelang mittels einer Ausnahmegenehmigung der Bundesopiumstelle als Selbstzahler teuer versorgt haben,
stehen heute immer noch ohne verschreibenden Arzt oder eine Kostenübernahme da. Um einen niedrigschwelligen Zugang so vieler Patient:innen wie möglich zu benötigten Medikamenten zu gewährleisten, schlägt das SCM im Folgenden daher leicht umzusetzende Änderungen vor.
II. Kritik und Verbesserungsvorschläge
Negative Auswirkungen von Facharzt – und Genehmigungsvorbehalt
Die in den Listen aufgeführten Leitindikationen und Zusatzbezeichnungen erachtet das SCM als unzureichend. Der Ärztemangel ist in seinen Auswirkungen bereits jetzt katastrophal für die Patient:innen, die große Strecken zu behandelnden Ärzten zurücklegen müssen und dabei oft auf den ÖPNV angewiesen sind. Insbesondere schwer erkrankte Patienten leiden unter dem allgemeinen Arzt- und insbesondere dem Facharztmangel
Forderung nach Einbezug von Allgemeinmediziner:innen
Gerade in ländlichen, oft strukturschwachen Gebieten, sind Patient:innen auf eine breit aufgestellte hausärztliche Versorgung angewiesen. Besonders dort sind Allgemeinmediziner:innen als das Rückgrat medizinischer Versorgung von größter Wichtigkeit. Aber auch in Ballungszentren ist es von Vorteil, wenn mit den Patient:innen und ihren lebensweltlichen Umständen vertraute Mediziner:innen bei vorliegender Expertise die Versorgung ihrer Patient:innen in der Praxis abbilden können. Hierzu muss auch die Verordnung einer Therapie mit Cannabismedizin und die therapeutische Begleitung gehören. Disparitäten sind zu beachten, in eher strukturarmen Regionen müssen Allgemeinmediziner:innen als Behandler:innen bei einer großen Bandbreite von zum Beispiel geriatrischen, psychiatrischen und einer Vielzahl weiterer Beschwerden ihrer Patient:innen fungieren1. Allgemeinmediziner:innen dürfen als Behandler:innen mit und Verordner:innen von Cannabismedizin nicht ausgeschlossen werden.
Es ist ein großer Nachteil und aus Patient:innenperspektive unverständlich, dass in der vorliegenden Liste wichtige Facharztgruppen aufgrund der zugrundeliegenden Begleiterhebung und darin Einzug findenden Daten fehlen. Es waren allein 15 Prozent der verordnenden Ärzt:innen Allgemeinmediziner:innen2; insofern wundern wir uns als Patientenrat über deren fehlenden zukünftig vorgesehenen Einbezug. Selbiges gilt für Fachärzt:innen für Innere Medizin: trotz relevantem Anteil als Verordner:innen in der Begleiterhebung mit immerhin 8 Prozent3, sind diese als Verordner:innen von Cannabismedizin bei zu wenigen Indikationen vorgesehen. Dies betrifft auch Kinder- und Jugendärzte.
Es werden unter den aufgeführten Leitindikationen überhaupt einige wichtige Diagnosen nicht abgebildet, die laut der Begleiterhebung relevant sind. Beispielsweise Schmerzsymptomatiken, denen keine Erkrankung aus der Gruppe der Leitinidikationen zugrunde liegt, wie beispielsweise bei Rheumatischer Arthritis, Rückenschmerzen, Kreuzschmerz und Chronische Schmerzen.
Ungenügende Leitindikationen und Zusatzbezeichnungen
Es werden unter den aufgeführten Leitindikationen überhaupt einige wichtige Diagnosen nicht abgebildet, die laut der Begleiterhebung relevant sind. Beispielsweise Schmerzsymptomatiken, denen keine Erkrankung aus der Gruppe der Leitinidikationen zugrunde liegt, wie beispielsweise bei Rheumatischer Arthritis, Rückenschmerzen, Kreuzschmerz und Chronische Schmerzen.
Auf der anderen Seite werden in den zu Position A und B gehörenden Listen Mediziner:innen mit wichtigen Zusatzweiterbildungen wie Schlafmedizin, Sozialmedizin und Suchtmedizinische Grundversorgung genannt, die aber in der zugrundeliegenden Begleiterhebung, nicht erfasst wurden.
Wir zitieren nachfolgend aus der Begleiterhebung (Tabelle 6.1) folgenden Diskussion: „Während mehr als 52% der Meldungen in der Begleiterhebung von Fachärztinnen und -ärzten für Anästhesiologie stammen, sind die vereinfachend als Arztgruppen der hausärztlichen Versorgung zusammengefassten mit weniger als 25% an den Meldungen beteiligt. Diese Daten decken sich nicht mit den bislang bekannten Krankenkassenauswertungen. […] Die Meldungen in der Begleiterhebung stellen somit nicht die Versorgungsrealität dar. Der sehr hohe Anteil an Meldungen durch Fachärztinnen und -ärzte der Anästhesiologie lässt vermuten, dass diese konsequenter an der Begleiterhebung teilgenommen haben und insbesondere Ärztinnen und Ärzte der hausärztlichen Versorgung offensichtlich einen großen Teil ihrer mit Cannabisarzneimitteln behandelten Patientinnen und Patienten nicht gemeldet haben. Dies muss bei Bewertung aller Ergebnisse der Begleiterhebung berücksichtigt werden.“
Gerade in Zeiten mangelhafter medizinischer und speziell schmerzmedizinischer Unterversorgung, muss die wohnortnahe Versorgung angepasst und verbessert werden. Es muss sichergestellt werden, dass jeder niedergelassene Arzt und Ärztin eine an anderer Stelle begonnene Therapie mittels Folgeverordnungen fortführen kann..
III. Empfehlungen
Durch den von uns abgelehnten Genehmigungsvorbehalt aktuell bestehende Verordnungshindernisse sollten nicht durch ähnlich hinderliche Beschränkungen ersetzt werden. Um für so viele Patiente:innen wie möglich ein breites Behandlungsspektrum sicher zu stellen, schlagen wir vor, dass Mediziner:innen mit einer durch eine Ärztekammer anerkannten Zusatzqualifikation “Cannabis als Medizin” (ähnlich dem Curriculum Schmerzkompetenz Cannabis4) künftig als Behandler:innen mit vorgesehen sein sollten. Bei vorliegender ärztlicher Qualifikation ist die Therapiehoheit nicht in Zweifel zu ziehen.
Bei den in der 1. Spalte aufgeführten Leitindikationen sind, wie im vorangehenden Teil beschrieben, viele andere wichtige Indikationen nicht aufgeführt. Darum muss diese Liste an Indikationen erweitert werden. Wobei zu beachten ist, dass diese auch nur als Beispielindikationen dienen können und eine Verschreibung bei anderen Indikationen daher auch möglich sein muss.
Daher empfehlen wir die Beachtung unserer bis hierher dargelegten Kritik an den für eine Verordnung genannten Facharztgruppen bzw. notwendig erachteten Zusatzbezeichnungen und deren Erweiterung. Unter der Maßgabe, dass die in unserer Stellungnahme aufgeführten, bislang ausgesparten Indikationen, Facharztgruppen und Zusatzqualifikationen noch in der 1. Liste der auf Seite 3 des Beschlusses zu diesem Stellungnahmeverfahren aufgeführten Indikationen und Zusatzbezeichnungen5 aufgenommen werden, rät das SCM bezüglich den Anforderungen an die Qualifikationen der verordnenden ärztlichen Person und allen weiteren vorgesehenen Änderungen zu den Positionen A.
- https://www.hausarzt.digital/politik/kbv-und-kven/stadt-land-arzt-55018.html ↩︎
- Siehe Begleiterhebung Tabelle 6.1 und folgende Diskussion ↩︎ ↩︎
- Ebenda ↩︎
- https://www.dgschmerzmedizin.de/versorgung/selektivvertrag-cannabis-vertragssteckbrief/curriculum-schmerzkompetenz-cannabis/ (Stand Dezember 2023) ↩︎
- AM-RL_Einleitung_SN-Verfahren_Abschnitt-N-Paragraf-45-Cannabis.pdf Seite 3f. ↩︎
Gero Kohlhaas
(Sprecher des SCM)
gero.kohlhaas@selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de
Maximilian Plenert
(Sprecher des SCM)
max.plenert@selbsthilfenetzwerk-cannanis-medizin.de